Blutverlust und Lebergymnastik
“Tut´s weh?”, fragte mich die attraktive Dame, mit der ich betrunken in die Büsche gefallen bin. Ich betrachtete die ca. 10cm lange Risswunde an meinem Brustkorb und antworte: “Weiß nicht. Bin zu voll. Sieht aber fies aus.” Mein Schmerzempfinden hatte schon Feierabend. Aber dazu später mehr. Da Zebrahead Anfang 2013 mit den Aufnahmen zur neuen Platte „Call your friends” beschäftigt waren, startete die Lebergymnastik dieses Jahr erst im August. Auf der Festival-Liste standen Pukkelpop, Rock’n’Heim, Highfield und Chiemsee Rocks. Die freien Tage zwischen den Festivals wurden mit Clubshows in Basel und Utrecht aufgefüllt.
Das Pukkelpop ist mit ca. 190.000 Besuchern das größte Alternative-Festival Belgiens. Über 160 Bands teilen sich 8 Bühnen und etwa 90.000 Frauen (Augenmaß). Das Line-Up liest sich wie ein Gulasch-Rezept: Alles dabei. Die Zeit bis zur Zebrahead-Show haben wir mit Papierflieger-Weitwurf überbrückt. Dabei zerstörten wir mit unseren Papiergurken den guten Ruf der deutschen Ingenieurskunst binnen weniger Minuten. Nach zwei Würfen lagen die fliegenden Unerfreulichkeiten auf dem Dach. Nachdem ich Fall Out Boy erfolgreich gestalkt habe, hat irgendwann dann auch noch Eminem seine Zeilen in den Nachthimmel gespittet.
Marc, unser Tour-Manager in seiner natürlichen Umgebung:
Am nächsten Tag wurde auf dem Hockenheimring Geschichte geschrieben: Zebrahead eröffneten das zum ersten Mal stattfindende Rock´n´Heim Festival! Ziemlich cool! Insgesamt kam das Festival auf ca. 40.000 Besucher in drei Tagen. Da kann kein Straßenstrich dieser Welt mithalten.
Nach der Zebrahead-Show haben Joko und Klaas hinter der Bühne einen Teilnehmer von “Mein bester Feind” für seinen Auftritt vorbereitet. Der arme Kerl musste “My heart will go on” singen. Vor ca. 10.000 Leuten. In einem goldenen Kleid. Ich glaube sein Kumpel bekam im Gegenzug einen neuen Fernseher. Fairer Tausch. Wir hingegen stürzten gekonnt am Jägermeisterstand im Backstage ab. Zwei leicht bekleidete Schönheiten bieten dir bei zartem Sonnenschein im Schatten einer Kunstpalme kostenlose Jägermeister-Mischgetränke an. Wir wollten ja nicht unhöflich sein und nahmen die Einladung an. Logische Konsequenz: Die restlichen Ereignisse des Abends verschwimmen in der gutriechenden Sommernachtsluft zu einem Erinnerungbrei, bei dem die einzelnen Zutaten nicht mehr definiert werden können.
Das Highfield-Festival ist ebenfalls etwas kleiner dimensioniert, zählt aber trotzdem zu einem meiner Lieblingsfestivals! 41 Bands belagern 2 Bühnen und präsentieren sich etwa 23.000 Zuschauern. Da das Festivalgelände direkt an den Störmthaler See grenzt, kann man sich nach dem Bad IN der Festival-Menge ein Bad MIT der Festival-Menge genehmigen. Toxikologen bestätigen: Der See besteht nur noch zu 15% aus Wasser. Die restlichen 85% sind eine ungesunde Mischung aus Schweiß, Urin und Alkohol. Das machte uns natürlich nix aus. Es war Sommer. Und ich mag den Sommer in Deutschland. Es ist der schönste Tag des Jahres. Und an so einem schicken Tag kann man auch mal Bananaboot fahren. Bananas! Wie üblich ein Bild in Full Laser HD:
Bei der späteren Autogrammstunde zeigte sich wieder einmal, dass Zebrahead alles signiert. Angefangen bei sekundären Geschlechtsmerkmalen von Frauen bis hin zu primären Geschlechtsmerkmalen von Männern.
Auf dem Chiemsee-Rocks tummelten sich keine Ahnung wie viele paarungsbereite Festivalbesucher. Ich schätze mal so um die 10.000. Aber das Beste war ein Riesenrad, welches wir für einen Videodreh kostenlos benutzen durften. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an die Betreiber des Riesenrads. Ich bin sicher sie werden es hier lesen. Der Abend nach der Zebrahead-Show geht als der Abend der großen Becherdürre in die Geschichte ein. Ok, das war jetzt übertrieben … Trotzdem, wir hatten zwar genug hochprozentigen Muntermacher, aber genau ein Becher hat gefehlt. Wir haben dann mal eben schnell eine 5-Minuten Terrine entleert und als Cocktailglas missbraucht. Was für eine Reinkarnation! Du stirbst als Fertiggericht und wirst als Alkohol-Behältnis wieder geboren. Wie auch immer.
Im Sommercasino in Basel hatte ich dann meinen ersten offiziellen Arbeitstag als Merch-Guy. Kann man das wirklich als Arbeit bezeichnen? Arbeit ist ja immer so ein negativ behaftetes Wort. Aber es gibt tatsächlich auch Arbeit, die Spaß macht! Zum Beispiel durch Europa reisen, tolle Leute kennen lernen und sich dabei betrinken. Und dafür werde ich bezahlt. Unfassbar. Un-f*cking-fassbar! In meinem neuen Büro habe ich mich direkt pudelwohl gefühlt. Den ganzen Abend mit coolen Leuten quatschen, trinken und schönen Frauen vorgestellt werden. Das läuft, sag’ ich mal.
Als service-orientierter Merch-Guy kümmert man sich auch nach Feierabend um die Anliegen der Kundschaft. Da wird dann gerne mal auserwählten Vertretern des weiblichen Geschlechts die bandinterne Getränkekarte präsentiert. Kundenbindung nennt man das. Nachdem wir besagte Getränkekarte inhaliert hatten, wollten meine weibliche Begleitung und ich Richtung Bus gondeln, um dort die mobile Bar zu inspizieren. Aber die Gravitation hatte andere Pläne mit uns. Die physikalische Grundkraft hat mal wieder gezeigt, wer hier der Boss ist und uns auf den Boden gezerrt. Aber nicht ohne einen Umweg durch den anfangs erwähnten Busch. Dabei habe ich mir die Brust an einem von Mutter Natur gut gemeinten Ast aufgerissen. Die Wunde wurde fachmännisch mit Wodka desinfiziert und mit Duck Tape verbunden. Passiert. Weitermachen.
Die Narbe erinnert mich heute noch an die Geschehnisse an diesem Abend. Wenn jemand fragt, wo ich diese Narbe her habe, sage ich natürlich, dass ich mit einem brennenden Snowboard aus einem explodierenden Hubschrauber gesprungen bin, während ich eine binomische Gleichung gelöst habe. Dabei habe ich mich dann verletzt.
Zwischen Buschwerk und Wodkaflasche hatten Daniel und ich auch noch Zeit, die Kamera in die Hand zu nehmen. Auf diesem Trip ist das Video zu “I’m just here for the free beer“ entstanden, welches wenigstens ansatzweise den Spaß darstellt, den wir auf dieser Tour hatten. Gefilmt und zusammen geklebt von ChiliCake Films.
So eine Tour ist ein heftiger Erlebnis-Overload. Deswegen war es ziemlich geil, das ganze Videomaterial zu sichten und das Video zu schneiden. Da kamen die ganzen Erinnerungen noch einmal hoch. Man vergisst einfach viel zu viel, weil in so kurzer Zeit so unfassbar viel passiert.
Nächstes Mal bei snuckout: Kann man das noch essen? Warum klebt hier alles? Und was zur Hölle bedeutet Zippsi?